Jörn Tschirne

 

Starker Umgang mit Schwächen

In jeder Stellenanzeige ist es von herausragender Bedeutung, auch im Vorstellungsgespräch ist die Reden davon: das Profil des Wunschkandidaten. Ein Mix aus persönlichen Eigenschaften, Fachwissen und Zusatzqualifikationen, dem der Bewerber entsprechen soll. Eine Liste von Stärken, die bei manchem das Gefühl von Schwäche auslöst. Doch die Schwäche ist nicht das Problem – nur wie man damit umgeht.

Der ideale Bewerber erfüllt alle Kriterien, die in einer Stellenanzeige gefordert werden, die wenigsten Kandidaten passen jedoch uneingeschränkt auf ein Bewerberprofil. Jeder hat Schwächen – und genau darin liegt die Chance eines Bewerbers. Wer seine Schwächen zu seinem Leitthema macht, verliert, wer aber offensiv damit umgeht, hat mehr Sprungkraft auf dem Weg über die Bewerbungshürden.

Der Begriff „Schwäche“ weckt spontan negative Assoziationen. Wer schwach ist gibt schnell nach, ist nicht belastbar, kämpft nicht. Schwach heißt untauglich, unbrauchbar, mangelhaft. Soweit die vordergründigen Aspekte, die mit Schwäche verknüpft werden. Ist das schon alles? Hat Schwäche nicht auch mit Bereitschaft und Leidenschaft zu tun? Wer eine Schwäche für klassische Musik hat, ist an ihr interessiert, gibt sich der Musik hin, beschäftigt sich mit ihr und ihrer Geschichte. Schwäche kann auch der Ausgangspunkt zu kultureller Bildung, Wissen und Engagement sein.

Betrachtet man den Begriff Schwäche von dieser Warte aus, verliert er seinen Schrecken. In Schwächen stecken Chancen, Schwächen öffnen Möglichkeiten zur Entwicklung, Schwächen bremsen nicht zwingend die Karriere - nur wenn sie Gewicht haben.


Relative Schwächen

Der Verlust des Selbstwertgefühls ist bei vielen Menschen die Folge, wenn sie mit einer (scheinbaren) Schwäche konfrontiert werden. „Ich habe keine Ahnung von Mathematik, also kann ich nichts“, könnte so ein Glaubenssatz lauten. Aber: Eine Schwäche erhält ihre Bedeutung erst durch gestellte Anforderungen – sie ist relativ.

Wer mit der höheren Mathematik auf Kriegsfuß steht, ist nicht automatisch zur Untätigkeit verdammt. In vielen Berufen spielen Algebra und Analysis keine Rolle, dort sind hingegen Teamfähigkeit oder exaktes Zuhören gefordert. Das liegt Ihnen eher? Also, vergessen sie Wurzel ziehen und Winkelfunktion, lassen Sie nicht zu, dass diese länger an Ihrem Selbstbewusstsein nagen. Relativieren Sie Ihre Schwächen, orientieren Sie sich an Ihren Stärken und bauen Sie diese weiter aus.


Was ist tatsächlich gefordert?

Lesen Sie eine Stellenanzeige aufmerksam durch. Sind die erwünschten Qualifikationen wirklich unabdingbar, sind alle Bedingung in der Tat wichtig zur Bewältigung der anfallenden Aufgaben? Oder sind einige Anforderungen lediglich „wünschenswert“? Eine Vielzahl an erwarteten Kenntnissen bedeutet nicht grundsätzlich, dass nur die „eierlegende Wollmilchsau“ eine Chance auf die Stelle hat. Das „Alleskönnerprofil“ rührt manchmal daher, dass der Job in der Tat vielseitig ist. Vielfältige Erfahrung ist sinnvoll und deshalb im Inserat vermerkt, und dennoch nicht in dieser Fülle ohne Einschränkung erforderlich. Bei diesen Jobs kommt es auf die Ausgewogenheit von Stärken und Schwächen an.

Es kommt zuweilen auch vor, dass das Profil noch nicht klar umrissen ist. Dies findet man zum Beispiel bei Ausschreibungen zu neu geschaffenen Stellen im PR-Bereich bei Kommunen oder öffentlichen Einrichtungen. Dann wird vom Bewerber kurzerhand Erfahrung mit der gesamten Palette der PR-Aktivitäten gefordert, obgleich noch nicht feststeht, ob der Tätigkeitsschwerpunkt bei Veranstaltungen, in der Redaktion einer Imagebroschüre oder in der klassischen Pressearbeit liegt. Oder der Stelleninhaber soll von allem ein bisschen machen, was die Bedeutung der Einzelanforderungen wiederum vermindert.


Schwächenmelder ausschalten

Nehmen Sie Formulierungen in Stellenanzeigen wörtlich, ohne dass Ihr Schwächemelder umfassende Interpretationsarbeit betreiben darf. Wenn als Voraussetzung genannt ist, dass „der Bewerber ein Studium erfolgreich abgeschlossen haben" soll, ist wörtlich nicht eine sehr gute Abschlussnote gefordert – sondern lediglich ein akademischer Grad.

Wenn das Unternehmen „Erfahrung in Aus- und Weiterbildung“ wünscht, müssen Sie nicht eine zehnjährige Karriere als Personaltrainer vorweisen. Referent für ein bestimmtes Thema bei der Volkshochschule, bei einem Bildungsträger oder einem Nachhilfeunternehmen entsprechen ebenso den Anforderungen im Sinne des Wortes. Anders verhält es sich, wenn ausdrücklich von „langjähriger Erfahrungen“ die Rede ist. In diesem Fall müssen Sie über Jahre viel Erfahrung gesammelt und ihr Wissen erweitert haben.


Sie sind unvergleichlich

Vergleichen Sie sich nicht mit anderen. Selbst wenn ein Mitbewerber mehr Berufserfahrung mitbringt, muss er nicht geeigneter sein. Vielleicht hat er horrende Gehaltsforderungen, oder passt aus persönlichen Gründen nichts ins Unternehmen. Eine Entscheidung für einen Bewerber basiert immer auf der Summe von Eigenschaften, nicht auf Einzelmerkmalen.


Stehen Sie zu Schwächen – bringen Sie Stärken zur Geltung

Reden Sie zuerst über Ihre Stärken. Der erste Eindruck zählt. Wenn Sie zunächst in fünf Sätzen berichten, was Sie alles nicht so toll können, schwindet das Interesse an Ihnen schneller als Sie reden können. Mit Ihren Vorzügen und Fähigkeiten bleiben Sie jedoch am Bewerbungsball. Was haben Sie bisher mit Erfolg gemacht, wo liegen Ihre Interessen, wo konnten Sie sich bereits erfolgreich einbringen und beweisen? Zeigen Sie gerade als Berufseinsteiger, dass Sie bisher aktiv waren und das auch in Zukunft sein werden.

Was tun, wenn das Vorstellungsgespräch auf das Thema „Erfahrung im Umgang mit den gängigen Office-Anwendungen“ kommt, sie aber nicht alle Feinheiten von Word, Excel, Access und PowerPoint beherrschen? Gehen Sie offen mit Ihren Schwächen um. Erfragen Sie, welche Programmteile beherrscht werden müssen und sagen Sie, was Sie können und wo Nachholbedarf besteht. Machen Sie deutlich, dass Sie bereit sind, bestehende Wissenslücken schnell zu schließen.

Wenn Können und Anforderung aber zu weit auseinander klaffen, ist der Job nicht für Sie geeignet und wird Sie nicht zufrieden stellen. Wenn jedoch überschaubare Lücken bestehen, die schnell geschlossen werden können, wird der Personaler angesichts Ihrer Stärken darüber hinweg sehen. Wichtig ist Ihre Bereitschaft, an sich zu arbeiten.


Erstellen Sie Ihr Leistungsprofil

Wird über Ihre Schwächen gesprochen, müssen Sie auch Ihre Stärken zum Ausdruck bringen. Jeder hat Stärken, das Problem ist nur, dass manche Menschen eigene Schwächen in den Vordergrund stellen, ihre Stärken jedoch als normal und unwesentlich abhandeln. Wenn Sie merken, das Sie zu diesem Typ gehören, dann ist es höchste Zeit, dass Sie Ihre Stärken einmal schriftlich fixieren und daraus Ihr persönliches Leistungsprofil ableiten.

• Welche Erfahrungen haben Sie?

• Welches Wissen können Sie sich aufgrund von Vorwissen schnell
   aneignen ?

• Welcher Nutzen für ein Unternehmen folgt daraus?

• Welche Tätigkeiten passen zu Ihrem Profil


Wenn Sie sich diese Gedanken nie oder erst im Vorstellungsgespräch machen, werden Sie Ihr Potenzial kaum schlüssig darstellen können. Bereits wenn Sie Ihr Anschreiben verfassen, zählen diese Erkenntnisse.

Berücksichtigen Sie für Ihr Leistungsprofil alle Eigenschaften und Fähigkeiten, die Sie für sich in Anspruch nehmen und überlegen Sie, wann Sie privat, im Ehrenamt oder in bisherigen Jobs erfolgreich darauf zurückgegriffen haben.


Analyse und Abgleich

Analysieren Sie Annoncen und stellen Sie Ihr Leistungsprofil den Jobprofilen gegenüber. Gibt es wirklich bedeutsame Schwächen in Ihrem Profil, die immer und immer wieder mit den Anforderungen der Jobprofile kollidieren und die sich nicht mit einer Stärke kompensieren lassen? Wirklich entscheidende Hemmnisse für den beruflichen Erfolg? Wenn dem so ist, müssen Sie dieses Manko verkleinern, durch ein Praktikum, freie Mitarbeit, ein Traineeprogramm oder eine Fortbildung.

Erweist Ihre Analyse aber, dass Schwächen zwar vorhanden, aber nicht bestimmend sind, dürfen sie Ihnen keine schlaflosen Nächte mehr bereiten.


Keine Zurückhaltung - aber nicht zu dick auftragen

Bleiben Sie bei den Fakten, wenn Sie nach Ihrem Können gefragt werden. Positiv, aber realistisch. Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, sondern sagen Sie, was Sie beherrschen. Wer vorgibt, alles zu können und nachher im Job auf dem Schlauch steht, wird die Probezeit nicht überstehen. Blendern geht schnell das Licht aus. 

Eine Studie der Psychologieprofessorin Astrid Schütz von der Universität Chemnitz zeigte, dass hochstapeln oft zum Absturz führt. Mehr als die Hälfte der Bewerber, die zu selbstsicher auftreten, erhalten eine Absage, schätzt Schütz. „Wer zu dick aufträgt, kann sich schnell ins Abseits loben“, erklärte die Professorin in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur. Der Tipp der Expertin: Stärken nennen, ohne zu übertreiben. „Wer in einem Vorstellungsgespräch nicht sagt, was er kann, wirkt inkompetent."


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