Jörn Tschirne

 

Lügen im Vorstellungsgespräch: Gängige Praxis oder Ausnahme?

In jedem Vorstellungsgespräch wird mindestens einmal gelogen. Die Rede ist von Lügen, die ein Bewerber in einer Art Notfall anwendet. Doch ohne den entsprechenden Anlass erfolgt auch nicht die geschwindelte Reaktion. Welche Fragen im Vorstellungsgespräch lösen eine Lüge des Bewerbers aus und warum ist das so? Erfahren Sie hier sechs Lügen, die Sie unbedingt kennen sollten.


Das "Verhör"

Vorstellungsgespräche gleichen einem Verhör", so berichten manche Bewerber, die von ihrem Interviewpartner 'ausgehorcht' wurden. Andere empfinden Vorstellungsgespräche als künstlich erzeugte Situation und wünschen sich sehnlichst das Ende des Gesprächs herbei, bevor es überhaupt angefangen hat. Das Frage-und-Antwort-Spiel entspricht dabei nicht immer der Wahrheit, sondern beinhaltet auch Schwindeleien, die teilweise völlig in Ordnung sind.


Ein gelungener Türöffner

Sie haben es geschafft! Ihre Bewerbungsunterlagen haben den Empfänger angesprochen. Anhand Ihrer Unterlagen hat er sich davon überzeugt, dass Sie über die Qualifikationen, Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, die für die Arbeitsstelle notwendig sind. Doch wie verhalten Sie sich im persönlichen Kontakt? Wie klingt Ihre Stimme? Wie wirkt Ihr Auftreten? Hält Ihr Anschreiben das, was es verspricht? Dass Sie zum Beispiel kommunikationsstark und aufgeschlossen sind.


Warum sich vorstellen?

Im Vorstellungsgespräch möchte sich der Personalverantwortliche von Ihrer "persönlichen Wirkkraft" überzeugen. Ganz unvoreingenommen ist er dabei natürlich nicht, denn bestimmte Vorstellungen in Bezug auf den neuen Mitarbeiter beeinflussen seine innere Einstellung und infolgedessen seine Fragen. Oftmals löst die Personenbeschreibung, die der Bewerber von sich selbst im Anschreiben aufsetzt, beim Personaler bestimmte Assoziationen aus: Er stellt sich den Bewerber als großen, kräftigen Mann mit lauter Stimme und festem Händedruck vor. Spätestens beim Vorstellungstermin zeigt sich dann, ob dieses Bild der Realität oder dem Wunschbild des Personalers entspricht.



Unerlaubte Fragen

Im gemeinsamen Gespräch gilt es festzustellen, ob man zusammen passt und  eine Zusammenarbeit für beide Seiten sinnvoll ist. Um das herauszufinden, stellt in erster Linie der Personalverantwortliche dem Bewerber Fragen. Dabei sind die meisten Fragen erlaubt. Es gibt jedoch einige, die unzulässig sind. Auf diese Fragen erlaubt das Arbeitsrecht dem Bewerber ausdrücklich zu lügen.

Im Folgenden sechs Fragen, auf die Sie nicht wahrheitsgemäß antworten müssen:

- Wie ist Ihre politische Einstellung?

Eine ehrliche Antwort erwartet man von Ihnen nur dann, wenn Sie sich in einer Institution vorstellen, die parteipolitisch gebunden ist.

- Wie ist Ihre religiöse Einstellung?

Solange Sie sich nicht in kirchlichen Organisationen vorstellen, brauchen Sie nicht ehrlich zu sein.

- Welche früheren Krankheiten hatten Sie?

Außer Ihren Hausarzt geht das niemanden etwas an, es sei denn, die frühere Krankheit könnte wieder ausbrechen und dadurch Ihre Arbeitsleistung einschränken oder Kollegen anstecken.

- Sind Sie schwanger?

Hier sind die Herren fein raus. Die Damen dürfen schwindeln.

- Welche Vorstrafen haben Sie?

Hier ist Lügen erlaubt, es sei denn, Ihre Delikte sind noch im Bundeszentralregister eingetragen.

- Wie sehen Ihre Vermögensverhältnisse aus?

Sie dürfen die Unwahrheit antworten, denn diese Auskunft hat nichts mit der Arbeitsstelle zu tun.


Lügen oder schweigen?

Grundsätzlich sollten Sie jede Frage beantworten, die Ihnen gestellt wird. Denn eine Antwort zu verweigern oder auf sein Recht zu pochen, eine unerlaubte Frage nicht beantworten zu müssen, hinterlässt beim Interviewpartner einen negativen Eindruck. Ihre sozialen Kompetenzen werden in Frage gestellt. Gerade darauf kommt es im Vorstellungsgespräch jedoch an!


Heikle Fragen

Selbstverständlich gibt es neben diesen sechs wichtigsten Fragen noch viele andere, auf die Sie aus persönlichen Gründen nicht ehrlich zu antworten brauchen. Überlegen Sie sich nur: Wem nutzt die Lüge wirklich? Schließlich geht es im Vorstellungsgespräch nicht um ein kurzes Rendezvous, sondern um die  Prüfung, ob man in der Lage ist, ein längeres Arbeitsverhältnis einzugehen. Basiert dieses auf einem Lügengebäude, ist eine tragfähige Arbeitsbeziehung eher unwahrscheinlich. Stellt der Personalverantwortliche zu viele unerlaubte Fragen im Vorstellungsgespräch, fragen Sie sich, welche Schlüsse Sie daraus in Bezug auf die Unternehmenskultur ziehen können! Wird die Privatsphäre des Mitarbeiters genügend respektiert? Falls nicht, möchten Sie sich in diese Firmenkultur integrieren?




Echt sein

Ob Sie aufgrund Ihrer Persönlichkeit ins Unternehmen passen, entscheidet schließlich der Personalverantwortliche zusammen mit der Geschäftsleitung. Sie leisten Ihren Beitrag dazu am besten, indem Sie sich im Vorstellungsgespräch natürlich und authentisch verhalten und sich nicht verstellen. Damit können Sie übrigens schon bei Ihren Bewerbungsunterlagen beginnen. Denn wer sich als dynamisch und engagiert beschreibt, sollte sein Gegenüber im Gespräch auch davon überzeugen können.

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